Gast-Kommentar: Saab im Wandel der Zeit

Saab-Fan Oliver hat mir einen sehr interessanten Beitrag über seine Erfahrungen mit Saab zukommen lassen. Vielen Dank Oliver! Oliver fährt unter anderem einen Insidern durchaus bekannten blauen Saab 9-5I Sportcombi 2.3T Aero Hirsch Performance. Oliver schreibt über Saab, die Saab-Gemeinschaft und seine persönlichen Saab-Erfahrungen. Zunächst geht es ihm auch um die Thematik „echte“ und „unechte“ Saab-Modelle:

Ich finde es gesagt lächerlich über einen echten oder unechten Saab zu sprechen. Dies ist wohl auch nur in einem speziellen Saabforum ein Thema. Es herrscht wohl auch die Ansicht man muss selber schrauben können.

Bei Saab sehe ich hauptsächlich 5 Phasen:

  • 93-96
  • 99, 90, 900
  • 9000
  • 900II/9-3I & 9-5I
  • 9-3II/9-5II

Ganz speziell sind da der Saab 9-2 (Subaru), der 9-7X und der 9-4X zu sehen. Wobei der 9-4X noch mehr Saab ist als die anderen rebadged Saabs. Bei 9-4X hat Saab sehr viel mitgewirkt und GM gezeigt wie man Autos baut. 9-7X und 9-2 sind rebadged Fahrzeuge aus der GM (9-7X) Palette und Subaru (9-2 aka Imprezza). Wobei man gestehen muss, dass der 9-2 der schönste Imprezza ist. Diese beiden Fahrzeuge zeigen zu gut die „Markenpolitik“ von GM. Man kreirt neue Modelle, um Kundensegmente abzudecken und denkt nicht daran wie es beim Kunden ankommt.

Ich bin aufgewachsen mit dem 900er (classic). Wer den Sound einmal gehört hat, der kommt davon nicht mehr los und es bleibt ewig im Ohr. Bei den Supportmeetings habe ich mich richtig über diese Autos gefreut und bin um das eine oder andere Unikat herumgeschlichen. Der Platz zwischen den Radkästen im Kofferraum und der variable Kofferraum machen ihn zu einem praktischen Begleiter. Der 900 hat ein sehr spezielles Getriebe, welches unter dem Motor sitzt. Dieses Getriebe war gut, aber meist hakelig zu schalten. Reparieren kann es heute nur noch ein Saab Mechaniker der ersten Stunde. Dafür war der Kupplungswechsel bei diesem Getriebe sehr einfach zu vollziehen, da das Getriebe nicht ausgebaut werden musste. Der Umstieg von den 8 Ventil Motoren auf den 16 Ventil Motor machte diesen standfest. Der Zylinderkopf wurde bei Cosworth entwickelt, vom Cosworth Zylinderkopf abgeleitet/ in den Maßen angepasst. Saab hat mit diesem Motor, der abgeändert bis zum Ende des 9-5I gebaut wurde eindrücklich gezeigt, wie man aus einem alten Motordesign (1,7l Triumph) einen modernen Motor machen konnte.

Dann kam der Saab 9000. Saab hat sich mit dem 9000 von der Einwagenstrategie losgesagt. Vor dem 9000er war ein Saab-internes Projekt für eine Großraumlimousine gestoppt worden. Man entwickelte dann mit Fiat/Lancia zusammen an einer Plattform für frontangetriebene Fahrzeuge. Daraus entstanden der Fiat Croma, der Lancia Thema und der Saab 9000. Saab entwickelte den Wagen später weiter zum 9000 CS, auch eine Limousine auf Basis des alten 9000 entstand mit dem 9000 CD. Der 9000 war sicherlich ausgerichtet auf den US-Markt und ab dem Zeitpunkt, zu dem der 9000 startete, kann man von Saab als Premium Marke sprechen.

Ich erinnere mich noch gut an den ersten 9000er von meinem Vater. Waren es 185 PS die er haben sollte? Ich hätte schwören können es waren mehr. Der Wagen war einfach nur der Dampfhammer und stand in der Presse wegen des monströsen Verbrauchs (bei Vollgasorgien) in der Kritik. Der 9000 brach mit den Vorgängern und seiner Fangemeinde, da er anders war. Aber er war auch besser. Das Platzangebot war immens grösser, die Fondpassagiere hatten mehr Platz und der Kofferraum war doch zu gebrauchen. Immerhin hat er die tief heruntergezogene Kofferraumklappe behalten. Der Inbegriff des 9000ers war für mich der 9000 Aero mit seinen speziellen Sitzen und dem leistungsgesteigerten Motor. Richtig sportlich war das Dickschiff dann aber noch nicht. Saab hätte hier eigentlich ein richtiges Sportfahrwerk verbauen müssen. Für mich gabs am 9000 eigentlich wenig Kritik: Das Automatikgetriebe ist tunlichst zu meiden – das ZF Getriebe hat auch bei dem Mitbewerb mit wesentlich weniger Leistung nicht gehalten. Es gab eigentlich immer ein wenig Geknister von den Seitenpanelen und die Windgeräusche bei hohen Geschwindigkeiten. Der Saab 9000 gilt bei den Mechanikern als bester Saab in Bezug auf Qualität. Der 9000 brach leider in einem anderen Punkt auch mit einer Tradition: Die Position des Zündschlosses am Lenkrad.

Dann kam der 900II. Mit Druck von GM zu früh auf den Markt gebracht. Der 900II war eine Saab-Entwicklung und man hat nur noch krampfhaft probiert, GM-Teile zu verwenden, z.B. in den ersten Modelljahren die absolut unterdimensionierten hinteren Bremsen. Der 900II hat es für mich geschafft eine gewisse Form und Ähnlichkeit zum alten 900 zu transferieren, aber dem Standpunkt modernen Autobaus zu entsprechen. Die erste Fahrt in einem 900II war sehr positiv, da der Wagen sich sehr komfortabel fuhr. Ich durft eine Zeit lang mal einen 900 Sensonsic fahren. Wäre da nicht das Problem mit den Schaltlagensensoren gewesen. Als Fichtel & Sachs endlich die Sensoren so überarbeitet hatte, dass sie funktionierten, war die Reputation schon zerstört und die Fahrzeuge wurden auf manuelle Kupplung umgerüstet. Mir hatte der Sensonic richtig Spass gemacht.

Der 9-3I war dann eine Überarbeitung des 900II. Für mich sind die Problempunkte des 900II/9-3I die Lagerungen der Vorderachse. Diese viel zu weichen Gummilagerungen waren Fahrspaßtöter und die Lager waren meist nach knapp über 100.000 km so weich geklopft, dass die Lager, bzw. in der Werkstatt die Quer- und Längslenker, getauscht werden mussten. Mein alter 9-3I hatte zum Schluss noch die violetten Lager aus England verbaut bekommen und war dann viel besser im Fahrverhalten. Der 9-3I hat uns sehr lange begleitet und war auch mit unseren beiden Kindern und dem Zubehör (Reisebetten, Kinderwagen und Gepäck) nicht überfordert. Und welches Auto hat schon serienmässig einen Wickeltisch. Wir haben bei Pausen immer die Gummis der Kofferraumabdeckung gelöst und die Kinder auf selbiger gewickelt. Kein Problem, da stabil genug.

Nach dem der 900II zu früh und fehlerbehaftet auf den Markt kam, konnte Saab sich beim 9-5 gegenüber GM durchsetzen. Der 9-5 kam zuerst nur als elegante Limousine und wurde erst später als Kombi in den Verkauf gebracht. Der 9-5 musste mit dem Chrombrillendesign noch einmal eine Ehrenrunde drehen, da GM seinerzeit den panischen Ausstieg bei FIAT Powertrain (Dieselmotoren) auch mit der Saab Pixbö-Plattform als Mitgift finanzierte. Verbucht wurden diese Kosten (eine neue Plattform abschreiben!!) natürlich bei Saab. Überbleibsel waren wohl die Powerstrut-Vorderachse des neuen 9-5II, die man verheimlichen konnte.

Auf Druck von GM wurde dem Saab 9-5 später noch der 2.2 TiD (Auftragsentwicklung bei Steyr durch GM Europe) und der umstrittene Isuzu-basierte 3.0 TiD verbaut. Den 3.0 TiD versuchte Saab anfangs noch Euro 4 tauglich zu machen und ist wohl nur knapp gescheitert. Dieser Motor wurde später mit „Aktion saubere Umwelt“ vom Markt weggekauft. Für einige Käufer war der 3.0 TiD irgendwann mit starkem Rußen bei Beschleunigung/ Anlassen und Wasserverlust (abgesenkte Zylinderbuchsen im Block) dem Motortod  erlegen. Der 2.2 und 3.0 TiD wurde später durch den 1.9 TiD (FIAT Powertrain)  ersetzt. Grundsätzlich ein guter Motor, aber im Saab 9-5 nicht optimal integriert, dadurch höher im Verbrauch und bei hohen Drehzahlen und bei höheren Geschwindigkeiten etwas brummig.

Für mich ist DER Saab der 900er (classic). Aber im Alltag bewege ich einen 9-5er Ikeabombi. Der neue 9-5II Kombi hatte es mir ehrlich gesagt angetan. Das hätte mein nächster Saab werden können. Ich finde es schön die alten Fahrzeuge zu erhalten. Aber es sind nicht die einzigen Fahrzeuge, die sich Saab nennen dürfen. Jede Firma muss sich halt dem Markt und den Bedürfnissen anpassen. Und ab und zu muss sich auch die Käufergruppe ändern.

Ich finde es auf Treffen dagegen immer wieder schön wie man an einem Tisch mit allen Saab-Fahrern zusammen sitzen kann. Da ist es egal ob man einen 900 classic fährt oder einen 9-5II. Das würde man bei einem Stammtisch bei BMW wohl anders erleben.

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