Da sitzt man ziemlich erschöpft abends im Zug auf dem Rückweg von einer langen und anstrengenden Besprechung. Nachdem man endlich etwas Ruhe hat und der Empfang im Zug gut ist, greift man zum Tab und schaut ins Internet. Und dann? Schon prasseln die Infos über Victor Mullers Flughafen-Interview auf einen ein. Da steigt der Adrenalinspiegel doch wieder etwas an.
Victor Muller (Bild rechts) wurde auf dem Londoner Flughafen Heathrow von der Autozeitschrift Teknikens Värld interviewt. Victor Muller spricht in diesem Interview plötzlich recht offen über seine Sicht der Verhandlungen mit GM.
Victor Muller äußert seine Zweifel daran, dass GM jemals den 100%-Einstieg der Chinesen bei Saab akzeptieren wird. Ihm zufolge sabotierten Youngman, Pang Da und Saab-Administrator Guy Lofalk das ganze Geschäft, als sie die ursprüngliche Planung, also den Einstieg von Pang Da und Youngman als Minderheitsbeteiligte bei SWAN, im Herbst 2011 über den Haufen warfen und 100% der Saab-Anteile forderten.
Der ursprüngliche Vertrag mit einem chinesischen Anteil von insgesamt 54% war lange Zeit genehmigt. Dann habe Saab-Administrator Guy Lofalk damit begonnen, auch Regierungsinteressen zu vertreten und überzeugte die chinesischen Firmen, einen 100%-Eigentumsanteil an Saab von SWAN zu fordern. Daraufhin sei GM auf die Bremse getreten. Das passiert laut Muller, wenn man Partnern in den Rücken fällt.
Muller zweifelt daran, dass die aktuellen Vorschläge von Youngman und Pang Da den US-Konzern überzeugen können. „Ich verstehe GM voll. Es ist klar, dass sie ihre Marktposition in China nicht gefährden wollen. Die Beziehung zwischen den chinesischen Firmen und GM ist so beschädigt, dass sie (Youngman und Pang Da) nicht einmal zum ursprünglichen Plan zurück können,“ sagte Muller.
Victor Muller deutet an, dass es eine andere Lösung gibt. Er will keine Einzelheiten nennen, will aber bis zuletzt für Saab kämpfen.
Ich kann nicht abschätzen ob es sich bei diesem Interview um eine „beleidigte“ Reaktion von Victor Muller handelt, der mit dem Ausschluss von SWAN bei Saab unzufrieden ist. Allerdings ist es Tatsache, dass die Vertragsänderung am 28. Oktober nicht zu einem Befreiungsschlag bei Saab geführt hat, sondern viele neue Probleme aufgeworfen hat, die es ursprünglich in dieser Form nicht gab.
Auch wenn es einigen nicht gefallen wird: Mullers Einschätzung, dass GM einen Verkauf von 100% der Anteile an Saab nicht genehmigen wird, erscheint mir richtig zu sein. Muller hat dies von Anfang an betont. Muller ist in dieser Sache wohl auch als kompetent einzuschätzen. Er führte im Frühjahr 2010 schwierige, aber erfolgreiche Verhandlungen mit GM und kennt daher die dortige Einstellung. Offensichtlich wollten es aber Saab-Administrator Guy Lofalk, die schwedische Regierung, Youngman und Pang Da besser wissen.
Die Chinesen und insbesondere Guy Lofalk haben sich ziemlich verpokert. Warum konnte man nicht am ursprünglichen Vertrag vom Sommer 2011 festhalten und den Einstieg bei SWAN zu Ende bringen? Dann könnte die Produktion in Trollhättan schon wieder laufen. Lofalk und die Chinesen haben wertvolle Monate damit verschwendet, Saab ganz zu übernehmen. Offensichtlich haben sie dabei die Rechnung ohne den Wirt GM gemacht. Gerade bei Guy Lofalk wird offensichtlich, dass er sich massiv verschätzt hat. Sollte er jetzt nicht eine Lösung finden, dann hätte er mit seinen kaum durchdachten Harakiri-Aktionen im Herbst Saab massiv geschadet. Man sollte ja immer daran denken, dass Lofalk neben der 100%-Aktion Saab ohne Absprache zunächst Geely angeboten hatte, obwohl schon vorher klar war, dass kein Interesse besteht.
Nachvollziehbar ist daher auch, dass Victor Muller nicht aufgibt und über einen Plan B einen Rettungsversuch für Saab unternimmt. Ich kenne nicht die Einzelheiten dieses Plans und ich glaube auch nicht, dass jemand außer Saab selbst in Deutschland diesen Plan kennt. Ob dieser Plan realistisch ist und eine Chance hat, wird sich erst in den nächsten Tagen zeigen.
Klar ist jedenfalls, dass die Gerüchte um einen dritten Partner bei der beabsichtigten 100%-Übernahme von Saab durch Youngman und Pang Da auf Spekulationen der schwedischen Presse aufbauten und kein „Insiderwissen“ im Spiel war. Meine Vermutung ist, dass es viel weniger Insiderwissen oder wundersame Kontakte zu über die Verhandlungen informierte Saab-Mitarbeitern gibt, als immer behauptet wird. Meistens kann sich jeder hier das „Insiderwissen“ durch das Lesen der einschlägigen schwedischen Presse selbst aneignen. Aber schlussendlich arbeitet die Presse auch nur mit Spekulationen und Mutmaßungen.