Der Katastrophen-Klöter: Saab 9-5I 3.0 TiD

Der 3.0 TiD war für Saab das japanische Diesel-Desaster. Saab hatte Ende der 90er Jahre nur den 2.2 TiD-Diesel von Opel im Programm, zunächst mit 115 PS, später mit 125 PS. Ein solider Motor, der im Saab 9-3I gute Dienste leistete. Aber für den ab 1997 hergestellten Saab 9-5I war er nicht mehr als die Diesel-Einstiegsmotorisierung (ab 2002). Andere Hersteller hatten in der oberen Mittelklasse ganz andere Dieselmotoren im Angebot. BMW konnte z.B. den 530d mit 184 PS anbieten (später mit 231 PS). Mercedes und Audi waren ähnlich motorisiert.

Saab musste handeln, um den in Europa stetig wachsenden Dieselmarkt zu bedienen. Daher wurde 2001 von Isuzu ein 3 Liter Diesel mit 177 PS zugekauft. Dieser Motor bestach durch sein hohes Drehmoment von 400 Nm und seine enorme Laufruhe. Alles schien bestens für Saab zu laufen. Der 3.0 TiD verkaufte sich gut. Doch bald zeigte sich, dass dieser Isuzu-Motor und der Saab 9-5 nicht zusammen passten. Der Isuzu-Motor hat ein massives Zuverlässigkeitsproblem: Motorexitus durch die gefürchtete Laufbuchsenabsenkung.

Aber was versteht man eigentlich unter Laufbuchsen? Der Kolben eines Motors läuft nicht immer direkt im Motorblockmaterial, weil dieses Material höhere reibungstechnische Ansprüche nicht erfüllt und auch der Austausch von Kolben und Zylinder als Hauptverschleissteile sich erheblich komplizierter gestaltet. Deshalb wird oft eine Zylinderlaufbuchse in den Motorblock eingebaut. Die innere Oberfläche dieser Laufbuchse wird meist nach dem Einbau (bei „nassen“ Zylinderlaufbuchsen schon vor dem Einbau) nachgebohrt und durch Honen feinbearbeitet. Hierdurch wird die vom Hersteller geforderte geometrische Form und die Oberflächenrauhigkeit gewährleistet, um die geforderten technischen und ökologischen Eigenschaften (was vor allem den Ölverbrauch betrifft) zu erfüllen.

Je nach Einbauart in den Motorblock unterscheidet man „nasse“ und „trockene“ Laufbuchsen. Nasse Laufbuchsen werden vom Kühlmittel des Motors direkt umspült. Sie bilden alleine den Zylinder, haben eine Wandstärke von 7 bis 15 mm und werden mit einer Dichtung eingesetzt. Trockene Laufbuchsen sind nur wenige mm dick und werden eingeschrumpft oder eingegossen. Isuzu verwendete beim 3.0 Diesel nasse Laufbuchsen. Diese haben den Vorteil, dass sie leicht auswechselbar sind, optimale Kühlung (direkter Kontakt mit Kühlmedium) haben und eine hohe Stabilität durch die große Wandstärke besitzen. Nachteile nasser Laufbuchsen sind, dass die Abdichtung problematisch ist (Öl gegen Kühlwasser), der Motorblock weniger stabil ist und die Zylinderkopfdichtung gefährdet ist.

Doch der vermeintliche Vorteil der guten Kühlung bei nassen Laufbuchsen verwandelte sich beim Saab 9-5I ins Gegenteil. Isuzu hatte den Motor kühltechnisch nicht gut konstruiert. Aufgrund des Einbaus im Saab 9-5I war die Kühlung der Laufbuchsen nochmals eingeschränkt. Zusätzlich sorgte die besondere Getriebeübersetzung für höhere Drehzahlen. Saab wollte damit den Wagen noch spritziger machen. Die hohen Drehzahlen sorgten aber noch für eine weitere thermische Belastungen des Isuzu-Diesels.

So konnte das Unheil seinen Lauf nehmen. Durch die zu hohe thermische Belastung kam es nach schon nach relativer geringer Fahrleistung – teilweise schon nach ca. 20.000 km – zu der gefürchteten Laufbuchsenabsenkung. Dabei senken sich aufgrund der zu hohen Temperatur die Laufbuchsen im Motorblock ab. Da beim Isuzu-Diesel nasse Laufbuchsen verwendet wurden ist dadurch die Abdichtung zwischen Motoröl und Kühlwasser nicht mehr gewährleistet. Es kommt in kurzer Zeit zu einem massiven Kühlwasserverlust. Durch die Absenkung der Laufbuchse kommt es zusätzlich aufgrund Überdrucks zu einem Defekt des Heizungsventils. Ein weiterer Hinweis sind stark unterschiedliche Korrekturwerte der Einspritzdüsen. Im Endstadium kommt es zu erheblichem „Motorruckeln“ mit starkem Leistungsverlust.

Die Laufbuchsenabsenkung stellt einen kapitalen Motorschaden dar. Dies bedeutet, dass ein kompletter AT-Motor eingebaut werden muss. Dies führt zu Kosten von ca. 12.000 Euro.

Der Isuzu-Diesel wurde auch von Renault und von Opel verwendet. Hier traten zwar die gleichen Probleme wie im 9-5I aus. Aufgrund der anderen Getriebeübersetzung und einer besseren Belüftung waren allerdings nur wenige 3.0 Isuzu-Diesel-Fahrer dieser Marken betroffen.

Zunächst wechselte Saab die Motoren bei einer Laufbuchsenabsenkung bis zu einem Alter von 5 Jahren und einer Laufleistung von 150.000 km auf Kulanz aus. Allerdings war den Betroffenen damit nicht wirklich geholfen, da ja auch beim AT-Motor mit ziemlicher Sicherheit die gleiche Problematik früher oder später wieder auftauchen würde. Später war Saab nicht mehr so kulant, es wurden nur noch 50% der Materialkosten übernommen, ca. 7.000 Euro waren von den Betroffenen selbst zu tragen.

Nachdem Saab das Problem nicht in den Griff bekam, wurde der 9-5I 3.0 Tid im Jahr 2005 von Saab nicht mehr als Neuwagen angeboten. Gleichzeitig versuchte man bei Saab, über eine große aber eher verdeckt gehaltene Rückkaufaktion den 3.0 TiD vom Markt zu nehmen. Dabei wurde den 3.0 TiD-Besitzern angeboten, den 9-5I 3.0 TiD beim Kauf eines neuen Saab-Modells zu sehr guten Konditionen in Zahlung zu nehmen. Angeblich bot Saab dabei bis zu 5.000 Euro über dem aktuellen Gebrauchtwagenwert des 3.0 TiD an. Die aufgekauften 3.0 TiD sollen dann von Saab ins außereuropäische Ausland verkauft oder von Händlern als Organspender benutzt worden sein.

Dies war zwar kein so tolles Angebot für die Betroffenen, da nicht jeder sich einen Neuwagen leisten konnte oder wollte. Aber zumindest war es für viele eine Möglichkeit, mit geringem Schaden den 3.0 TiD loszuwerden. Offenbar haben doch einige 3.0 TiD-Besitzer diese Angebot angenommen, da sich die Zahl der auf dem Gebrauchtwagenmarkt angebotenen 3.0 Tid seit 2005 deutlich verringert hat.

Weiterhin lassen sich aber trotz der Rückkaufaktion seitens Saab in den einschlägigen Verkaufsportalen einige 3.0 TiD finden. Diese werden vergleichsweise günstig angeboten. Günstig aber nur auf den ersten Blick. Leider gibt es immer noch ein paar Unglücksraben, die nicht informiert sind und sich über günstige Preise freuen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hält die Freude nicht langen an. Daher gilt weiter Empfehlung: Finger weg vom 3.0 TiD!

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6 Antworten zu Der Katastrophen-Klöter: Saab 9-5I 3.0 TiD

  1. Marco Garcia schreibt:

    Hallo

    ich interessiere mich für eine saab 9-3 kombi
    trotz das ich kei opel fan bin wollte ich mal erfahren welchen von den benzin und diesel motoren die zuverlässigsten sind

    vielen dank

    mfg
    marco

  2. Pingback: Signum Facelift 1,9CDTI vs. 3.0 V6 CDTI Seite 4 : Ich nicht, hab noch nie einen Neuwagen gehabt. Der Wertverlust...

  3. Walcher Ilse schreibt:

    Leider haben wir vor 2Jahren einen Saab 9,5 3lt gebraucht gekauft. Stehen jetzt in Griechenland mit hohen Wasserverlustproblem. Wissen nicht, ob wir es nach Österreich schafen,ohne größeren Schaden.Haben das Auto bei einem angeblich vertrauenswürdigen Händler in Graz gekauft, hat sich wieder einmal bestätigt, vertrau keinem Autohändler.

  4. Aras schreibt:

    Bin echt froh, dass ich diesen Artikel gelesen habe. Aktuell ist bei einem der größten Kfz-Portale so ein 3l Saab 9-5 inseriert für 3000€ mit 80tkm und bj 2005. Eigentlich ein Schnäppchen aber nach diesem Bericht würde ich es vllt. grad mal umsonst annehmen und auch da wäre ich mir nicht sicher, da es sich nach einer menge Ärger anhört!
    Danke nochmal!
    LG

  5. chrmuck schreibt:

    Die Überschrift „Kathastrophen-Klöter“ ist mir zu reisserisch – unser SAAB 9-5 hat am Ende fast 300tsd. km auf der Uhr gehabt! Gekauft mit 145tsd. km. lief er viele Jahre als geräumiger, kraftvoller und enorm langstreckentauglicher Familienkombi. Nach 5 Std. Fahrt steigt man aus und freut sich auf die nächste Stadtbesichtigung. Und das Gepäck verschwindet einfach mitsamt Hund & Hundebox im großen Kofferraum. Die Kinder haben hinten sehr viel Platz und bei 180 auf der Bahn ist noch nachdrücklich genug Power für einen Zwischensprint da, dass Fahrwerk ist ausreichend komfortabel und obendrein sogar sportlich. Dazu dass gute Gefühl, in einem sehr sicheren Auto zu fahren. Probleme: konzeptionsbedingt der VR-Antrieb bei einem so stark motorisierten Fahrzeug, Nebenaggragate geben gerne ohne Vorankündigung den Geist auf, es stellt sich eine gewisse „Unzuverlässigeit“ ein – wenn´s drauf ankommt, läuft er jedoch auch mal mit einem von einem nachlässigen Mechaniker produzierten Mangel klaglos weiter. Der Motor ist ein Gedicht, sorgfältiges Warm- und Kaltfahren vorausgesetzt! Die gelbe Umweltplakette war am Ende ein Problem und die Suchen nach einer kompetenten Werkstatt auch! Ansonsten ein tolles Auto, dem wir (die ganze Familie) immer noch ein wenig hinterher trauern…

  6. hepol schreibt:

    Der aus Deutschland 2005 mit 40 000 km (dort seit 2002 gelaufen) importierte 9-5 3.0 TiD machte in Österreich wegen 130 kmh auf Autobahn bisher keine Motor-Probleme.
    Jetzt ist er bei 240 000 am Ende, da Rostreparaturen und Radlager fällig wären.
    Schlechter Diesel (bio-Anteil) machte den Magnetventilen öfters zu schaffen.

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