Die Saab-Insolvenz im Fernsehen

Gestern Abend um 20 Uhr war es soweit: Das schwedische TV-Magazin “Uppdrag Granskning” berichtete auf SVT1 über die Zusammenhänge des “Saab-Skandals” – also die Einflussnahme der schwedischen Regierung auf Saab, aber auch über die Führung von Saab durch Victor Muller. Bereits gestern gab es erste Enthüllungen über den rechtswidrigen Versuch von Administrator Guy Lofalk und der schwedischen Regierung, Saab im Oktober 2011 an die Volvo-Mutter Geely für den lächerlichen Preis von 1 Mio. US-Dollar zu verkaufen (vgl. Bericht hier).

Die weiteren Enthüllung sind nicht ganz so spektakulär, aber sie zeigen ein konkretes Bild vom Verhalten der schwedischen Regierung und bestätigen auch die gestrigen Enthüllungen.

Victor Muller stellte dem Fernsehteam seinen gesamten Email-Verkehr zur Verfügung. Daraus ist ersichtlich, dass Muller zunächst zur schwedischen Regierung ein gutes Verhältnis hatte und beispielsweise von Finanzstaatssekretär Hans Lindblad zu einigen Veranstaltungen der Regierung eingeladen wurde. Nachdem im Frühjahr 2011 aber die finanziellen Probleme bei Saab auftraten und Victor Muller die Finanzierung von Saab durch den russischen Investor Wladimir Antonow in Spiel brachte, brach die schwedische Regierung alle Kontakte zu Saab ab.

Antonow wurde letztendlich nicht Anteilseigner von Saab. Antonow wollte im Frühjahr 2011 100 Mio. Euro in Saab investieren. Dies hätte damals zur Rettung von Saab gereicht. Doch trotz der Zustimmung der Reichsschuldenverwaltung und durch deren Chef Bo Lundgren blieb die Regierung passiv und die EIB lehnte Antonow schließlich im Sommer 2011 ohne Grund und vor allem ohne eigenes Risiko ab. Dabei muss klar gesagt werden: Die Reichsschuldenverwaltung konnte trotz umfangreicher Ermittlungen nichts negatives über Antonow finden und bis heute konnten auch die späteren Vorwürfe und Anklagen aus den baltischen Staaten nicht bewiesen werden. Ob Antonow also tatsächlich ein Verbrecher ist, kann derzeit nicht gesagt werden. Hier sollte man den Ausgang des Gerichtsverfahrens abwarten. Im Frühjahr 2011 sprach jedenfalls nichts gegen Antonow.

Bezeichnend ist, dass weder Hans Lindblad noch ex-Administrator Guy Lofalk mit dem TV-Team sprechen und substantielle Informationen geben wollten. Das Finanzministerium verwieß in Sachen Saab an das Wirtschaftsministerium und dieses bestätigte lediglich, dass das Treffen mit Geely am 7. Oktober tatsächlich stattgefunden hat. Weitere Erklärungen wollte die Regierung nicht abgeben.

Verrätisch finde ich noch die Aussage von Finanzstaatssekretär Lindblad Mitte 2011, dass Muller und Antonow doch Saab aufgeben sollten. Lindblad sagte damals, dass es Schweden gut gehe und man sich um Trollhättan kümmern werde, wenn Saab untergehe. Diese Information stammt zwar von Lars Carlström, den schwedischen Anwalt von Wladimir Antonow, und sollte deshalb mit Vorsicht genossen werden. Aber sie passt völlig ins Bild der Recherchen des TV-Teams und scheint mir deshalb glaubwürdig zu sein.

Hans Lindblad erscheint im TV-Bericht als Strippenzieher, der im Hintergrund gegen Saab gearbeitet hat. Ob dies tatsächlich so zutrifft und welche Rolle die verantwortlichen Minister gespielt haben, kann ich nicht beurteilen. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber noch die im Bericht nicht genannte Information, dass Hans Lindblad und Guy Lofalk privat Nachbarn sind und in der gleichen Straße wohnen. Das muss nichts heissen, aber irgendwie passt auch das wieder ins Bild.

Ganz so aufklärerisch, wie die Sendung angekündigt wurde, war das Ergebnis der gestrigen Sendung dann doch nicht. Eine ausführliche Analyse über alle Hintergründe der Insolvenz von Saab konnte nicht erstellt werden. Zum Beispiel wurde kaum etwas über das Verhalten der EIB ermittelt. Da der schwedische Finanzminister Anders Borg als Mitglied der EIB immer gut informiert war, wäre es sehr interessant gewesen, sein Verhalten und seine Einflussnahme in der EIB in Bezug auf Saab aufzuklären. Aber wahrscheinlich konnte das TV-Magazin diese hohe Erwartungen auch nicht erfüllen.

Der Insolvenz von Saab liegt ein Zusammentreffen von vielen verschiedenen komplexen Ursachen zugrunde. Ein einziger Schuldiger wird nicht zu finden sein, aber zumindest konnte die TV-Sendung deutlich machen, dass die schwedische Politik eine gehörigen Anteil der Schuld am Untergang von Saab trägt.

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5 Antworten zu Die Saab-Insolvenz im Fernsehen

  1. Karl schreibt:

    Wer diesen Fernsehbericht gesehen hat und immer noch glaubt das NEVS ein „normaler“ Käufer ist, der freut sich sicher auf den Weihnachtsmann.

    • Saab 9-3 schreibt:

      Genau, dieses Konsortium welches extra 2 Wochen vorher für den Kauf von Saab gegründet wurde, komischerweise bestehend aus früheren Volvo-Managern ist bestimmt kein normaler Käufer. Denn welcher Käufer kauft schon eine intakte Autofabrik um dort Batterien herzustellen?
      Das ist ein super Beitrag, leider kann ich kein schwedisch. Doch soviel ich auch verstanden habe reicht.
      Nun muss auch der letzte Saab-Fan zugeben, dass nicht nur die Erbsenzähler aus Detroit, sondern die Angestellten der schwedischen Regierung und die Administratoren unter Lofalk die Schuld am Untergang von Saab alleine auf ihren Schultern tragen müssen.

      • Joachim schreibt:

        Wer spricht eigentlich davon, dass in Trollhättan (in den SAAB-Fertigungshallen) ausschließlich Batterien hergestellt werden sollen?

        Das es sich bei den Leuten um Jiang um ehemalige Volvo-Mitarbeiter handelt, ist sogar vorteilhaft – die Abläufe in der Autoindustrie sind somit bereits bestens bekannt.

        Wir sollten nun wirklich einem Käufer, der mehrere Millionen Euro als Kaufpreis hatte,
        nicht unterstellen, dass dies nur zur Entsorgung einer Firma passierte – dies ist doch geradezu lächerlich!

        • Herbert Hürsch schreibt:

          „Wir sollten nun wirklich einem Käufer, der mehrere Millionen Euro (…)“

          Mehrere Millionen sind lächerlich. So was wird durchaus mal rausgehauen, um ausschließlich Batterien herzustellen oder schlicht, um eine Firma zu entsorgen.

  2. Joachim schreibt:

    Gut aufgepasst Herbert – es sollte natürlich mehrere hundert Millionen heißen!

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