Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Mit der Ankündigung, die Produktion des „alten“ Saab 9-3II mit Verbrennungsmotor ab Sommer 2013 prüfen zu wollen, hat NEVS alle Saab-Freunde überrascht. Die bisherigen Reaktion reichen von Skepsis bis extremem Überschwang. Doch wie ernsthaft und realistich ist eigentlich die Ankündigung von NEVS?
NEVS hatte bisher recht stur am Geschäftsmodell reiner Elektrofahrzeuge festgehalten. Zwar hatte NEVS auf dem Saabsunited Octoberfest 2012 verkündet, dass man die Tür für Hybridfahrzeuge nicht zuschlagen wolle. Aber mein Eindruck war, dass man hier die Saab-Freunde etwas bei Laune halten wollte, ohne tatsächliche konkrete Pläne zu haben.
Und dann gestern diese 180-Grad-Wendung zurück zum „alten“ 9-3II. Natürlich steht alles unter dem Vorbehalt des Machbaren. NEVS will bisher nur die Möglichkeit prüfen und hat sich deshalb mit den ehemalligen Zulieferfirmen zusammengesetzt. Trotzdem ist gestern zum Beispiel auf Saabsunited bei vielen Kommentaren schon der Jubel über den vermeintlichen schnellen Produktionsstart des Saab 9-3II ausgebrochen. Einige sehen sogar schon ihren neuen Saab im Lauf des Jahres 2013 vor der Tür stehen.
Doch diesem Jubel kann ich mich nicht anschließen. Ich halte das ganze Scenario von NEVS für viel zu unrealistisch und wenig durchdacht. Offensichtlich ist NEVS recht kurzfristig an die Zulieferer herangetreten. Wie viele dieser Zulieferer Interesse haben mit NEVS zusammenzuarbeiten, nachdem NEVS sehr lange diese Firmen ignoriert hat und noch vor wenigen Wochen eine Einladung der Zulieferervereinigung grundlos ausgeschlagen hat, bleibt abzuwarten. Zusätzlich existieren einige Zulieferer nicht mehr. Damit ist schon die schnelle Aufnahme der Produktion in Trollhättan problematisch. Auch fehlen ja noch die Angestellten, die dann den 9-3II ab Sommer montieren könnten.
Daneben gibt es das Problem der Technik-Lizenzen. Zwar gehören die Rechte am 9-3II NEVS und nicht GM. Aber GM war natürlich in vielen Bereichen Zulieferer von Saab. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, dass GM an NEVS Motoren und Getriebe liefern wird. NEVS muss auf jeden Fall einen neuen Antriebsstrang einbauen. Dies dürfte mit der jetztigen Personalausstattung in Trollhättan nicht so schnell gelingen. Die meisten Ingenieure haben Saab verlassen und ob Fremdfirmen solche Aufträge schnell bearbeiten können ist fraglich.
Das ist aber noch nicht alles. Es gibt da noch die Problematik der neuen Sicherheitsbestimmungen zum Fußgängerschutz. Der Saab 9-3II hätte ab 2013 in Europa nicht mehr verkauft werden können, da er diese neuen EU-Regelungen nicht erfüllt hätte. Daher sollte der Nachfolger Saab 9-3III nach der früheren Planung von Saab bereits Anfang 2013 auf den Markt kommen. Deshalb wurde von Saab selbst der 9-3II nie auf ein Modelljahr 2013 hin weiterentwickelt. NEVS muss also jetzt den 9-3II auch noch entsprechend dieser neuen Sicherheitsbestimmungen überarbeiten.
Dies erscheint bis Sommer 2013 kaum möglich, da jede noch so kleine Konstruktionsänderung einen riesigen Testaufwand mit sich bringt. Umgehen könnte NEVS dies nur, wenn der 9-3II MY2013 nicht in Europa angeboten werden würde. Aber die Produuktion eines 9-3II ohne den Verkauf im Hautabsatzmarkt und speziell im Heimatmarkt Schweden macht für mich keinen Sinn.
Es stellt sich also schon die Frage, ob der genannte Zeitrahmen überhaupt einzuhalten ist. Dies würde ich aufgrund der obigen Erwägungen durchweg verneinen. Aber selbst wenn es NEVS gelingt, den überarbeiteten 9-3II schnell zu produzieren, dann gibt es viele weitere Fragen.
NEVS beobachtet eine starke Nachfrage nach dem „alten“ Saab 9-3II. Dies mag für einige Märkte wie Schweden stimmen. Aber in anderen Ländern gibt es noch einige nicht verkaufte Neufahrzeuge aus dem Jahr 2011. Ist die Nachfrage nach dem 9-3II tatsächlich so hoch? Bei dieser Frage kommt es nicht auf absolute Zahlen an. Wichtig ist zunächst, dass NEVS entsprechende Stückzahlen vom überarbeiteten 9-3II verkaufen muss, um die Produktions- und Entwicklungskosten hereinzuholen. Ansonsten macht das ganze Projekt keinen Sinn.
Und hier sehe ich ehrlich gesagt schwarz. Der 9-3II ist sicher kein schlechtes Auto. Aber zwischenzeitlich ist der Wagen in der Grundkonstruktion 11 Jahre alt und damit nicht mehr ganz up-to-date. Selbst bei einer tieferen (und teuren) Überarbeitung wird der 9-3II mit den moderneren Konkurrenten nicht mehr ganz mithalten können. Das wäre erst wieder mit dem 9-3III möglich gewesen. Natürlich ist auch ein überarbeiteter 9-3II technisch und optisch nicht schlecht. Trotzdem bleib das Manko der „alten Konstruktion“ bei der Autopresse und den Allerweltskunden. Preislich müsste der 9-3II also deutlich billiger angeboten werden, um viele Kunden zu finden. Nur für Saab-Fans dürfte sich eine Neuauflage des 9-3II nicht lohnen. Da ging es höchstens um ein paar 1000 Stück im Jahr.
NEVS muss also den 9-3II günstig anbieten und trotzdem eine gewisse Stückzahl erreichen. Und ob die Normal-Kunden kommen, ist selbst bei einem günstigen Preis nicht gesagt. Saab ist in den Augen der Mainstreamkunden schon lange nicht mehr existent. Und die Saab-Fans waren in der Vergangenheit auch nicht besonders kaufwillig. Zumindest gab es bisher schon zu wenig Verkäufe. NEVS muss also viel Werbung schalten und auch noch ein neues Händlernetz aufbauen, um überhaupt Kunden erreichen zu können.
Dieses Händlernetz ist grundsätzlich noch vorhanden. Viele Händler haben bisher ihre Saab-Vertretung behalten, um mit der Unterstützung von Saab Parts die Altkunden weiterzubetreuen. Dies ist sicher auch lukrativ für die ambitionierten und gut aufgestellten Saab-Händler. Aber viele auch schon früher eher uninteressierte Händler sind zwischenzeitlich abgesprungen. Und ob die noch vorhandenen Werkstätten wieder Saab-Neuwagen verkaufen wollen, ist nicht sicher. Hier haben wir also eine weitere Baustelle, die NEVS bis Sommer 2013 lösen müsste.
Insgesamt erscheint mir alles recht unrealistisch. Weder in zeitlicher noch in finanzieller Hinsicht macht die Produktion des 9-3II so Sinn. Die Fragezeichen im Hinblick auf die NEVS-Ankündigung bleiben also bei mir bestehen. Egal wie man die Angelegenheit betrachtet, die Pläne sind nicht schlüssig. Aber vielleicht zieht NEVS ja noch ein unbekanntes Ass aus dem Ärmel. Denn ich würde mich sehr freuen, wenn der Saab 9-3II nochmal weiterproduziert werden würde. Nur sehr wahrscheinlich oder realistisch ist die Produktionsaufnahme des „alten“ Saab 9-3II im Sommer 2013 wohl leider nicht.
Die ganze Geschichte wirft auch ein weiteres Fragezeichen auf den bisherigen NEVS-Businessplan. Warum geht man jetzt mit einer zur bisherigen Planung völlig entgegengesetzten vagen Aussage an die Öffentlichkeit? Ist der bisherige Plan doch nicht tragfähig? Dauert die Entwicklung von E-Fahrzeugen doch länger als geplant? Ist die Umwandlung des Saab 9-3II in ein E-Fahrzeug doch aufwendiger als gedacht? Hat man die laufenden Kosten des Werks in Trollhättan unterschätzt? Alles in allem scheinen mir die NEVS-Pläne weiterhin unrealistisch und wenig durchdacht zu sein. Gut, solange Kai-Johan Jiang, der NEVS-Eigentümer, dies finanzieren kann, spielen solche Überlegungen keine Rolle. Aber ein Automobilwerk ist immens teuer und auch Herr Jiang wird ein solches nicht tragfähiges Konzept nicht lange über Wasser halten können.
so sehr ich mich über eine wiederaufnahme der produktion freuen würde, umso mehr stellt sich diese dubiose firma „nevs“ als eine laienspielschar heraus.
schon das lange nichts, was ein abgesandter von nevs anlässlich des oktoberfestes von sich gegeben hat, war meiner meinung nach nur peinlich.
der echte knaller ist aber der artikel in der svt über die dubiosen machenchaften eines guy lofalk während der rekonstruktion.
schön, dass es endlich öffentlich wird und ich kann nur hoffen, dass vm diesen miesen vigel verklagen wird!
umso trauriger ist es, dass dieser mann wohl bei einer zukunft von saab keine rolle mehr spielen wird.
https://saab-rover-blog.net/2012/10/31/der-saab-skanadal-geht-weiter/
„umso trauriger ist es, dass dieser mann wohl bei einer zukunft von saab keine rolle mehr spielen wird.“
VM, oder wer? Der soll erstmal seine Steuerschulden bezahlen. Auch hatte er bereits eine Chance. Er mag die Geschichte von Saab ein paar Monate verlängert haben, aber Zukunft ? ? ?
bist du beim schwedischen finanzamt? der schwedische fiskus behauptet etwas und für dich sind es fakten….
das sehe ich gänzlich anders.
noch ein nachsatz:
welche chance hatte vm denn wirklich, wenn man die machenschaften im hintergrund betrachtet? gar keine!
im gegenteil: man hat ihn nach strich und faden betrogen und dich wollte ich sehen, wenn dich ein fremder dritter enteignen wollte.
der schwedische staat will steuern von vm? das ist doch eine schmierenkomödie erster güte, nachdem genau dieser staat beihilfe zur insolvenz und beihilfe zum rekonstruktionsbetrug geleistet hat, wären schadenersatzzahlungen fällig!
„NEVS-Ankündigung über die Wiederaufnahme (…)“
Sorry, aber die Überschrift ist BS. NEVS hat keinerlei „Wiederaufnahme“ angekündigt. Der Kommentar ist dann ja schon wieder richtig. Warum also erst diese reißerische „BILD“-Überschrift?
@ Herbert Hürsch
Der Kommentar bezieht sich auf den vorherigen Artikel. Du scheinst mir ein Freund extrem langer Überschriften zu sein 😀 , mir war die Überschrift schon lang genug.
Ich glaube nicht, dass die Überschrift:
„Kommentar zur NEVS-Ankündigung über die Prüfung der Möglichkeit der Wiederaufnahme der Produktion des Saab 9-3II“ dem Leser was bringt und eine Überschrift sollte doch eher kurz und prägnant sein.
Auch kann jeder – wie Du schreibst ja auch Du – ohne Probleme nachvollziehen, was gemeint ist. Insofern halte ich den BILD-Vergleich und den anderen Ausdruck für absolut unpassend bzw. reißerisch 😀
OK, OK, der Vorgänger war mir durchgerutscht. Ich nehme alles zurück. Aber länger hätte die Überschrift auch gar nicht sein müssen oder sollen. Da fühle ich mich missverstanden.
Beispielsweise „Kommentar zu einer potentiellen Neuauflage des 9-3 II“ hätte es auch getan und wäre kürzer.
Natürlich gibt es alternative Überschriften, aber wir müssen das ganz ja nicht zu sehr aufbauschen 😀
Man sollte nicht nur negativ von NEVS berichten – sowohl Jiang als auch andere Spitzenleute kommen aus der Automobilindustrie.
Einfach mal abwarten, was aus diesem Vorhaben wird – die andere Planung (Elektro-Fahrzeuge) bleibt ja nach meinem Wissensstand zusätzlich uneingeschränkt bestehen.
Die zwischenzeitliche Nutzung des Werkes durch die Produktion weitesgehend herkömmlicher Fahrzeuge halte ich für sehr sinnvoll.
Habe den Dagens Nyheter heute im Original gelesen. Da klingt die Sache schon nicht mehr so explosiv. Man überlegt ,ob man den SAAB 9-3 II für den schwedischen und chinesischen Markt auflegt ! Hier hier gehe ich mit den Ausführungen von tauentzien voll mit. Stückzahlen/Produktionskosten/Marktanalyse/mögliche Verkaufszahlen–alles im Moment im Bereich der Träumerei. Zumal dann der deutsche Kunde gar nichts davon hätte !!
Seltsam sind die Wege von NEVS!
Wenn die Gerüchte stimmen sollte, die ich immer für sehr wahrscheinlich gehalten habe, dass NEVS im Auftrag der schwedischen Regierung handelt, dann könnten auch die Veröffentlichungen über die Lofalk-Affäre der Grund dieses Vorstoßes sein.
Vielleicht kann die Regierung jetzt ihre ursprünglichen Pläne nicht mehr verwirklichen und NEVS versucht den verzweifelten Alleingang?
Es würde mich nicht wundern, wenn der nächste Konkurs ins Haus steht, diesmal von NEVS.
Da die Hoffnung zuletzt stirbt, ist daran von mir die Hoffnung geknüpft, dass die Reste dann von jemand übernommen werden, der Saab wieder aufleben lassen will. Ohne Querschüsse aus der Regierung, könnte es ja klappen.
ich als wirtschaftsromantikerin finde da ja eher, man sollte die leute bei nevs machen lassen. bisher haben sich die nevs-leute ja immer zurückgehalten, wenn es um den informationsfluss richtung öffentlichkeit geht, also werden die nevsleute schon wissen, und analysiert haben, was sie da machen.
Abgesehen davon glaub ich, dass sich keiner der hier vertretenen personen bisher davon abhalten liess, ein auto von … her zur importieren, es wird also auch in zukunft so bleiben, oder?
Nebenbei bemerkt, haben nicht einige von den bloggern heuer erst „veraltete saabtechnologie“ in form eines 9-5 oder9-3 gekauft. die chrombrille ist ja jetzt auch nicht gerade der letzte schrei.
ich will ja keinem auf die füsse treten, aber jetzt tut sich endlich was, und alle reden es wieder schlecht. so kann der „saab – drachen“ nur abstürzen.
Der „saab – drachen” ist schon lange abgestürzt!
Als konservativ wirtschaftender Mensch bin ich es gewohnt erst Pläne zu schmieden und dann zu investieren. Bei NEVS wird erst Geld ausgegeben, dann versucht man es zusammen zu kratzen und anschließend macht man Pläne. Alles wirkt recht hilflos. Die Bemerkung von Marcus, der NEVS mit einer „Laienspielschar“ vergleicht, ist doch zutreffend, was die Wirkung in der Öffentlichkeit angeht.
Auch sehe ich, was die Kosten betrifft keinen Vorteil, den 9-3 jetzt erst mit Verbrennungsmotor auf den Markt zu bringen. Sollte es wirklich nötig sein, eine neue Triebwerkseinheit einzufügen, dürften die Entwicklungskosten über denen einer E-Version liegen. Beim Verkauf, dürfte ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, allerdings die bessere Option sein.
Wenn ich es richtig sehe, müsste eine Version mit dem Dieselmotor auch ohne GM machbar sein, allerdings dürften sich die Stückzahlen wohl im bescheidenden Rahmen halten, ob sich so eine Miniproduktion rechnet?
Was NEVS bisher abgeliefert hat, ist jedenfalls nicht dazu geeignet Vertrauen zu wecken. Oder anders gesagt: Bisher entspricht es meinen Befürchtungen.
@ B.Koch
In der Tat haben wir kürzlich einen 9-5I gekauft und sind sehr zufrieden damit. Aber für die breite Masse der Autokäufer sind 9-3II und 9-5I (subjektiv) alte Autos auf alter Opel-Technik. Dass die Tatsachen vielleicht etwas anders sind hat in den letzten ca. 10 Jahren ja kein Käufer oder Autojournalist interessiert. Vordergründig sind es halt über 10 Jahre alte Konstruktionen, die NEVS dann an den Mann oder die Frau bringen muss und will. Und dann kann man schon den Erfolg dieser Idee anzweifeln, wenn man sich die gesamten Rahmenbedingungen sich anschaut. Sollte aber NEVS mit der Neu-Produktionen des 9-3II Erfolg haben, dann wäre ich sicher der erste, der sich freuen würde. Denn uns gefällt der Wagen weiterhin, deshalb fahren wir ja auch einen!
ich möchte mich noch für meine schreibfehler entschuldigen, und bemerke noch:
Schweden ist eben anders. Saab ist auch nicht VW.
unkonventionelle Firmen brauchen unkonventionelle Lösungen.
Wenn wir sehen, wie viele (große) Hersteller zur Zeit wanken und wahrscheinlich demnächst nicht mehr in ihrer bisherigen Form bestehen werden; wenn wir zudem die wenigen erstarkten Konzerne betrachten, wird klar, dass SAAB ohne tatkräftige Unterstützung (z. B. Motoren und Getriebe von BMW) es nicht schaffen wird, wieder an Fahrt zu gewinnen – oder diese gar erst aufzunehmen. Zudem muss man ganz sachlich feststellen, dass die Detailqualität des 9-3 I schon vor Jahren äußerst peinlich war (scharfe Kunststoffgrate im Innenraum, billiges Plastik), vom zweifelhaften Opel-Vectra-Image einmal ganz abgesehen. Aber wir Deutschen sind ja nicht das Maß der Dinge. Für Schweden und China armortisierte sich der wiederauferstandene 9-3 ja vielleicht.