In der aktuellen Situation von Saab hört man immer wieder diesen Vergleich: Bei Saab läuft es so wie bei Rover. Auf den ersten Blick gibt es natürlich Gemeinsamkeiten. Saab und Rover wurden von den Konzernmüttern GM bzw. BMW an private Investoren verkauft, nachdem es bei den Müttern und den Töchtern zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten kam.
BMW verkaufte im Mai 2000 MG Rover an ein privates Konsortium. Danach konnte MG Rover noch 5 Jahre lang Fahrzeuge produzieren, bis dann die Barreserven aufgebraucht waren. MG Rover musste im April 2005 Insolvenz anmelden. Nun meinen einige, diese Situation würde genau der Situation bei Saab entsprechen.
Aus meiner Sicht ist das viel zu kurz und viel zu einfach gedacht. Ich bin der Ansicht, dass man diesen Vergleich schon differenzierter ziehen muss. Zunächst muss man die Situation und Lage der beiden Marken jeweils sich genau anschauen, um dann Schlüsse daraus ziehen zu können. Wie sah also die Lage bei MG Rover in den Jahren 2000 bis 2005 im Vergleich zu Saab in den jahren 2009 bis 2011 genau aus?
Rover war von BMW Ende der 90er Jahre in die Verlustzone gebracht worden. Zusätzlich standen weitere Investitionen in das veraltete Rover-Werk in Longbridge bei Birmingham an. Was machte jetzt BMW? Klares Ziel von BMW war es die Rover Group abzuwickeln und vom Markt zu nehmen ohne selbst dafür die Verantwortung übernehmen zu müssen. BMW spaltete deshalb die alte Rover Group auf. Man behielt selbst die besten Teile (New MINI und Werke in Cowley und Hams Hall) oder verkaufte sie teuer zu Gunsten der BMW-Kasse (Land Rover). Übrig blieb für MG Rover die eingeschrumpfte PKW-Fertigung im veralteten Werk Longbridge und eine „job for life“-Garantie von der alten BMW-Führung, die Entlassungen für MG Rover unmöglich machte. Gleichzeitig war durch die Ereignisse und das ungeschicke Verhalten von BMW der Ruf von MG Rover und das Vertrauen der Kunden in die Marke nachhaltig geschädigt.
Wie sieht es dagegen bei Saab aus? GM war 2009 schon länger in Schwierigkeiten und griff daher zu „radikalen“ Mitteln. Durch die Ereignisse während des Verkaufs von Saab hat GM ebenfalls den Ruf der Marke und das Vertrauen der Kunden in Saab geschädigt. GM hat jodoch immerhin Saab eines der besten Werke in Europa übergeben. Gleichzeitig wurde noch die Produktion und die Entwicklungsabteilung im Saab-Werk in Trollhättan konzentriert, was für das Überleben von Saab wesentlich ist. GM hat also im Gegensatz zu BMW Saab nicht zerschlagen, sondern noch für den Verkauf gestärkt.
Produkttechnisch sah es im Jahr 2000 bei Rover eher schlecht aus. Das einzige aktuelle Fahrzeug war der Rover 75, der 1998 eingeführt worden war. Daneben gab es noch den MGF, der bis 2005 einer der meisteverkauften Roadster in Europa war. Probleme hatte Rover jedoch mit den älteren Modellen 25 und 45, die schon länger im Dienst waren und von der Kundschaft nicht zufriedenstellend angenommen wurden. Insgesamt war die Modellpalette von MG Rover etwas überaltet, Neuentwicklungen waren nicht Sicht. BMW hatte alle Rover-Neuentwicklungen nämlich an sich gerissen oder weiterverkauft (MINI, Range Rover, Rover 55). Gleichzeitig hatte BMW die Entwicklungsabteilung der alten Rover Group an Land Rover angeliedert. Nachdem Land Rover an Ford verkauft war, verblieben bei MG Rover zunächst nur noch ca. 20 Ingenieure. Eine eigenständige Entwicklungsarbeit war für MG Rover damit so gut wie unmöglich geworden.
Dies ist bei Saab nicht passiert. Saab hat zur Zeit die aktuellste Modellpalette seit Jahrzehnten. GM hat die Neuentwicklungen 9-5II und 9-4X bei Saab belassen. Darauf kann Saab jetzt aufbauen. Auch hat Saab eine sehr große Entwicklungsabteilung, die trotz der aktuellen Probleme weiter voll tätig ist. Saab kann auf loyale Ingenieure zählen, die weiterhin bei Saab arbeiten wollen. Trotz der verspäteten Lohnzahlungen und Abwerbeversuche durch den Konkurrenten Volvo gibt es bisher noch keine größeren Abwanderungen zu anderen Arbeitgebern. Die ca. 1.000 Saab-Ingenieure entwicklen weiter an technischen Innovationen, wie zum Beispiel dem Hybrid-Antrieb Saab eXWD, und der Einführung des neuen Saab 9-3III
Das Problem von Saab im Gegensatz zu MG Rover ist, dass man von GM keine Zwischenfinanzierung für die Übergangszeit erhalten hat, das EIB-Darlehen nur für Technologieentwicklungen eingesetzt werden darf und das Spyker-Konsortium kein großes finanzielles Potential hat um dies auszugleichen. MG Rover erhielt von BMW ein zinsloses Darlehen von 500 Mio. Euro. Davon musste zwar die eigene Rover-Motorenfertigung von BMW zurückgekauft werden, aber der Restbetrag reichte für 5 Jahre.
Hier sieht man auch den deutlichsten Unterschied. Saab hat Probleme mit der kurzfristigen Finanzierung und mit einer ungünstigen politischen Situation (Regierung/EIB), die kurzfristige schnelle Hilfen von bereitstehenden Investoren mutwillig verhindert. Langfristig stehen eine Vielzahl von Investoren bereit, die an ein Überleben und die Zukunft der Marke Saab glauben. Bei Rover war es genau umgekehrt. Die kurzfristige Finanzierung war gesichert, aber aufgrund des Verhaltens von BMW im Jahr 2000 gab es kein Entwicklungspotential und keine Investoren, die langfristig die Marke Rover zum Erfolg führen wollten.
Aus meiner Sicht gibt es also viele Gründe, warum die Situation bei Rover 2000/ 2005 und bei Saab 2009/2011 nicht vergleichbar ist. Rover hatte kaum eine Überlebenschance, Saab steht trotz der aktuellen Probleme viel besser dar. Dies bedeutet natürlich nicht, dass Saab auf jeden Fall überleben wird. Wenn Saab es nicht schaffen sollte, dann jedoch aus anderen Gründen als Rover. Die Geschichte wiederholt sich niemals!
Saab wird nachhaltig kaum überleben können. So sympathisch solche Außenseiterrmarken auch sein mögen, überleben kann man nur mit einem strategischen Partner (Hersteller), der beereit ist eine lange Durststrecke hinzunehmen. In den letzten Jahren unter GM war Saab das „Dritte Rad am Unternehmen“, weil der amerikanische Hersteller eigentlich gar nichts damit anfangen konnte. Hier hat Volvo anfangs mit Ford und heute mit demchinesischen Investor Geely eindeutig mehr Glück gehabt, was ja auch die Zulassungen deutlich belegen.
Hauptgrund sind bei Saab, das eine eigenständige moderne neue Entwicklung nicht bewerkstelligt werden kann, da es gar keine richtige Entwicklung mehr gibt. Was nützen imageträchtige Triebwerke von BMW, wenn sonst keie strategie mehr verfolgt wird.
Last but not least, das Vertriebsnetz bröckelt allmählich ab, übrig bleiben ein paar „Aufrechte oder idealistische Außenseiter“, das haben wir bei ROVER doch auch schon erlebt! SCHADE zweifelsohne, aber der Markt entwickelt sich unaufhörlich weiter und die Kunden auch.
Ich dachte, es gäbe bei Saab 900 Ingenieure, die munter vor sich hin entwickeln, z.B. die Phoenix-Plattform, elektrischen Allrad/Hybridantrieb, IQon etc.? Dass Saab keine Motorenentwicklung mehr hat, ist ja nur ein kleiner Aspekt, der zudem nicht kritisch ist, wenn man nicht ein Auto auf seinen Motor reduziert wissen will. Und Victor Muller hat auch klar ausgesagt, was er machen will:
-Outsourcen, um die Fixkosten zu senken
-Standardteile dort, wo keine spezifischen Entwicklung notwendig ist, um die Herstellkosten zu senken.
Damit ist weniger Entwicklertätigkeit notwendig als früher.