Natürlich fragen sich viele, warum Saab im Frühjahr 2011 in diese substantielle Krise gerutscht ist. Mir geht es ebenfalls so. Deshalb versuche ich mal, im Überblick eine kleine Ursachenforschung zu betreiben. Da mir keine Saab-Internas bekannt sind, kann ich nicht im einzelnen darstellen, welche einzelne Entscheidung welcher Person ausschlaggebend war. Aber ich möchte aus meiner Sicht doch mal einen Abriss und einen Überblick über die Gründe der aktuellen Saab-Krise geben.Zunächst lag insgesamt eine schlechte Ausgangslage für Spyker im Frühjahr 2010 vor. GM wollte seit Februar 2009 eigentlich Saab einfach schließen und war nur auf Druck bereit, Saab doch zu verkaufen. Allerdings verzögerte GM den Verkauf von Saab über das ganze Jahr 2009 bis ins Jahr 2010. Nachdem im Januar 2010 die Verhandlungen mit dem zweiten Kaufkandidaten Spyker ins Stocken geraten waren, gab GM bekannt, dass man Saab abwickeln würde. GM fuhr noch im Januar 2010 die Produktion herunter. Zusätzlich gab es damals noch weitere Probleme und Bedingungen, die teilweise erst jetzt bekannt wurden. Die EIB (und nicht GM) verhindert den Einstieg des finanzkräftigen Investors Wladimir Antonow (Bild links) aufgrund falscher Informationen zu seiner Person. Saab musste darauf eingehen, um den benötigten EIB-Kredit zu erhalten.
Angesichts dieser Ausgangslage war der Spyker-Businessplan für Saab zu optimistisch. Der Business-Plan von Spyker ging und geht von 80.000 notwendigen Einheiten zum Erreichen der Gewinnzone aus. Nach Informationen aus der Presse stimmt dies (vgl. hier). Saab hat aus meiner sicht auch das Potential, diese Zahlen zu erreichen. In guten Zeiten erreichte man 120.000 Einheiten jährlich. 2010 sollten schon 60.000 Einheiten erreicht werden.
Das Problem lag im Jahr 2010 darin, dass durch die zögerlichen Verhandlungen von GM das Image von Saab geschädigt wurde und damit die Verkaufszahlen Ende 2009 völlig eingebrochen waren. Saab war für die Masse der Kunden schon verschwunden. Deshalb stieg der erste Käufer Koenigsegg im November 2009 aus den Verhandlungen mit GM aus. Das Spyker-Konsortium unter Victor Muller (Bild rechts), das im Januar 2010 dann Saab übernahm, ging trotzdem von 60.000 verkauften Fahrzeugen im Jahr 2010 im Business-Plan aus. Leider zeigte es sich schnell, dass diese Zahl 2010 nicht erreicht werden konnte.
Im Verlauf des Jahres 2010 ergaben sich mehrere Probleme. Mit Antonow fehlt aufgrund der irrationalen Weigerung der EIB ein Geldgeber, der kurzfristig Geld nachschießen konnte. Aufgrund des Verhaltens von GM konnte die Produktion erst viel später anlaufen. Eigentlich war man erst im 2. Halbjahr produktionstechnisch wieder in der Normalität angelangt. Zusätzlich fehlte 2010 wohl aufgrund der Kosten eine große internationale Werbekampagne, um dem normalen Kunden die Botschaft zu vermitteln „Saab lebt und hat tolle und neue Produkte im Angebot“. Daher konnte man 2010 statt 60.000 nur 30.000 Fahrzeuge absetzen.
Offensichtlich wurden die daraus resultierenden finanziellen Probleme von den Saab- und Spyker-Verantwortlichen Jan-Ake Jonsson (Bild links) und Victor Muller unterschätzt. Im Herbst 2010 begann Saab zwar noch unter der Führung von Jan-Ake Jonsson gegenzusteuern, da aufgrund der verzögerten Erholung der Verkaufszahlen wohl eine Finanzierungslücke offensichtlich wurde. Ab Oktober 2010 verhandelte Spyker-Chef Victor Muller mit chinesischen Firmen über einen Einstieg bei Saab. Allerdings gingen Muller und Saab wohl zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass Antonow zügig bei Saab einsteigen könnte und damit Saab kurzfristig keine Gefahr drohe. Die EIB war ja, was jetzt offiziell erwiesen ist, von falschen Informationen über Antonow ausgegangen. Die „Mafia-Vorwürfe“ waren nie haltbar. Es gab (und gibt) also nichts, was gegen Antonow sprach.
Auch Wladimir Antonow ging davon aus, dass er im Jahr 2011 problemlos bei Saab einsteigen könnte. Dies zeigt das Interview, dass er im März 2011 (Februar 2011) der schwedischen Presse gegeben hat (vgl. hier) In diesem Interview sprach er von einem kurzfristigen Liquiditätsengpass im Frühjahr 2011 und dass er bereit sei, falls notwendig 50 Mio. Euro zu investieren. Dies hätte im Frühjahr 2011 ausgereicht, um die Produktion am Laufen zu halten, bis dann später im Jahr 2011 die chinesischen Partner und Antonow hätten einsteigen können. Natürlich musste damals die Saab-Führung diese von Antonow erstmalig aufgeworfenen finanziellen Probleme dementieren, um nicht die weitere negative Entwicklungen zu beschleunigen. Aber die finanziellen Probleme waren schon vorhanden.
Das Saab-Management unterschätze jedoch weiterhin die finanziellen Probleme. Aufgrund von kurzfristigen Zahlungsproblemen verweigerten einige Zulieferer Ende März 2011 die Teilelieferung. Dadurch kam es Anfang April zum Produktionsstillstand in Trollhättan. Jetzt waren die Probleme groß, keine Einnahmen trotz laufender Kosten und, zusätzlich, negative Presse, unzufriedene Zulieferer und Kunden.
Im April und Mai 2011 agierte die Saab-Führung eher glücklos gegenüber Zulieferern und Presse und glaubte wohl an eine einfache und schnelle Lösung des Problems über den Verkauf der Fabrikgebäude an Antonows Investmentfond Gemini und den danach folgenden direkten Einstieg von Antonow als Anteilseigner. Erst verzögert ging man ab Mai auf die chinesischen Partner zu und erhielt aus China eine Zwischenfinanzierung, um Saab überhaupt am Leben zu erhalten. Weiterhin ging Saab aber wohl von einer positiven Lösung des Einstiehs Antonows durch die EIB aus.
Doch hier hatte Saab sich verrechnet. Die EIB verzögerte monatelang ohne Stellungnahme die Zustimmung zum Einstieg von Antonow und die Regierung tat nicht für Saab. Vielmehr arbeiteten einzelne Regierungsmitglieder, wie zum Beispiel der Finanzminister Anders Borg (Bild rechts), hinter den Kulissen gegen Saab. Die schwedische Wirtschaftsministerin Maud Olofsson (Bild links unten) fiel eher durch Nichtstun oder durch fehlende Informationen in Pressekonferenzen auf. Ende Juli 2011 wurde dann bekannt, dass die EIB ohne weitere Prüfung
grundlos trotz der Zustimmung der schwedischen Reichsschuldenverwaltung Antonow als Investor ablehnte und dabei von Teilen der schwedischen Regierung noch unterstützt wurde (vgl. hier und hier). Saab musste erkennen, dass eine Rettung über diesen Weg nicht möglich war. Das hinterhältige Verhalten von EIB und schwedischer Regierung haben Saab damit mindestens einen guten zweistelligen Millionenbetrag gekostet und zusätzlich wurde wertvolle Zeit vertan, die jetzt für Saab zu einem ernsten Problem wird.
Aktuelles Problem: Man konnte durch verschiedene Rettungsaktionen hohe Summen einnehmen. Doch war Saab nicht in der Lage sich mit allen Zulieferfirmen zu einigen und die Produktion zu starten. Aufgrund der langen Zeitdauer des Produktionsstillstandes von April 2011 bis heute wurden die eingenommenen Gelder wieder von den laufenden Kosten aufgefressen. Wären alle Gelder im April oder im Mai vorhanden gewesen, wäre die Aufnahme der Produktion wohl kein Problem gewesen.
In aller Kürze lassen sich die Ursachen wie folgt zusammenfassen:
- Schlechte Ausgangslage im Frühjahr 2010 für Spyker;
- der Spyker Business-Plan für Saab für die Jahre 2010 und 2011 war zu optimistisch;
- schlechtes und verzögertes Krisenmanagement der Spyker-/Saab-Führung im Frührjahr 2011 – Zwischenfinanzierungen kamen immer zu spät;
- die schwedische Regierung und EIB arbeiten offensichtlich gegen Saab.
Natürlich ist man im Nachhinein schlauer. Offensichtlich sind von allen Seiten Fehler gemacht worden. Saab hat sich viel zu lange von der EIB und der schwedischen Regierung hinhalten lassen und das Saab-Management hat bisher nur auf die aktuellen Notlagen reagiert. Mit neuen Geldquellen konnten zwar die akuten Probleme wie zum Beispiel ausstehende Lohnzahlungen gelöst werden, aber die Ursache für die Probleme – der Produktionsstopp – besteht weiterhin. Saab muss die Produktion zum laufen bringen, ansonsten werden sich weitere Krisen ergeben. Und ob sich dann nochmals ein Plan C, D oder E ergeben wird ist mehr als fraglich. Die Fehler wurden im Herbst 2010 und im Frühjahr 2011 gemacht. Die Frage ist jetzt, ob sich diese Fehler noch beheben lassen.