Oliver beschäftigt sich heute in seinem Gastbeitrag mit der schwedischen Automobilindustrie und den damit zusammenhängenden staatlichen Investitionen und Förderungen:
Beim Lesen der Newsmeldungen rund um Saab taucht ab und an der Begriff des Schwedischen Automotive Clusters – meist im Zusammenhang mit dem Innovatum und/oder der staatlichen Investmentgesellschaft Fouriertransform – auf.
Auf der Suche nach einer guten Erklärung und weiterführende Informationen ist die Master Thesis von Helena Sundquist zum Thema „The Swedish Automotive Cluster – How will it be affected by foreign acquisitions at the end of the value chain?“ hilfreich. Diese Master Thesis basiert hauptsächlich auf Dokumenten, Reviews und Modellen. Es wird das Automotive Cluster beschrieben und ein wenig mit den Erfahrungen des Clusters Pharmazie verglichen, in dem Schweden vor 25 Jahren, im Vergleich zu anderen Ländern, durchaus gut aufgestellt war.
Für alle Ungeduldigen sei hier die Frage, was ein Cluster ist, kurz beschrieben: Eine Definition beschreibt es als geografische Konzentration von miteinander verbundenen Firmen in einem Wirtschaftsbereich. Schwedens Wirtschaft wird in sog. Clustern beschrieben. Eines dieser Cluster ist das Automotive Cluster. Neben dem Automotive Cluster gibt es noch die Cluster IT/Telekommunikation (ICT), Pharmazie/Gesundheitswesen, Forst und Zelluloseverarbeitung sowie Stahl und verarbeitende Industrie.
In der oben erwähnten Master Thesis wird in 3 Stufen (vereinfachte Betrachtung) die Aufstellung des „Schwedischen Automotive Clusters“ betrachtet: Wettbewerbsfähigkeit des Standorts (Bildungsstand, Lohnkosten, Steuern,..), Industriecluster und ihre Wichtigkeit und Dynamik (Zusammenarbeit der Technologiefirmen mit Behörden, mit Hochschulen, mit finanziellen Institutionen und der Vernetzung untereinander), Zustand des Clusters (Wachstum vs. Stagnation/Konsolidierung).
Dynamik und Zustand ergeben einen Index zur Zukunftsfähigkeit bzw. dem Wert des Clusters und damit auch einen Index für das Interesse von Investoren (auch aus dem Ausland).
Der Vergleich Pharmazie Cluster und Automotive Cluster zeigt auf, dass zur damaligen Zeit die Pharmaziefirmen und ihre Übernahmen komplett erfolgten (Forma inkl. Research & Development (R&D)) und dass das Automotive Cluster in Schweden rechtzeitig diversifiziert wurde.
Die Diversifizierung zeigt sich unter anderem durch die Koordination der Start-Ups/SpinOffs durch Fouriertransform. Anhand von drei Beispielen kann man das aufzeigen.
Saab war unter GM Kompetenzzentrum unter anderem für Doppelkupplungsgetriebe und Kontrollsysteme (neben den Turbo- und Crash-/ Sicherheitskompetenzen).
Die Getriebeentwicklungsabteilung von Saab wurde 2010 aus der Saab Powertrain AB bzw. GM Powertrain AB in die Vicura AB ausgegliedert, die auch für Saab Automobile AB bis 2011 (gemäss Spyker/SWAN Finanzreports) Auftragsarbeiten durchführte – sehr wahrscheinlich für PhoeniX. Bei der Vicura AB musste Fouriertransform sogar kurzzeitig vom eigenen Reglement der max. 49% Aktienbeteiligung abweichen
Unter Fouriertransform wird ebenso die Pelagicore AB unterstützt. Diese arbeitet an Open Source Lösungen für Infotainment Systeme. Hier könnte man Synergien mit Saabs IQon (Android-basiertes Infotainment) nutzen.
Dann wäre noch LeanNova, ein Start-Up von ehemaligen Saab Automobile Ingenieuren. Diese wurde von Fouriertransform, Innovatum und einigen Saab Ingenieuren gegründet. Um die Reglements einzuhalten (Aktienanteil, Finanzinvest) wurde diese Gesellschaft wahrscheinlich von diesen drei Organisationen/ Firmen gegründet.
Fouriertransform hat also Möglichkeiten durch ihre aktive Mandatsbetreuung den Informationsfluss zwischen den betreuten Firmen zu gewährleisten und Innovationen zu bündeln. Dieser Vorteil der lokalen Cluster gegenüber globalisierten Entwicklungszentren mit Reibungsverlusten und kulturellen Unterschieden kann man so als Vorteil verbuchen.
In Bezug auf LeanNova hat Youngman in 2011 durch die nicht erfolgte Übernahme der SAAB Automobile AB vweiteres KnowHow abwandern lassen, welches jetzt nur noch im Consultingverhältnis zur Verfügung steht.
Noch ein paar Informationen zu Innovatum und zu Fouriertransform:
Der ‚Innovatum Teknikpark“ ist in drei Bereiche unterteilt:
Inkubator: Denkfabrik, Entrepreneurship für die Ideen von Morgen: Von der Idee zum Start-Up – begleitet durch Innovatum.
Project Arena: Infrastruktur- und Projektmanager und Ingenieure unterstützen bei anspruchsvollen Projekte.
Science Centre: Wissenschaft erleben für Jung und Alt. Auf 4400 m2 experimentieren und Wissenschaft erleben.
Innovatum gehört zum „Production Technology Center“. Auf dem Gelände sind auch untergebracht das Saab Automuseum, Volvo Aero und die Hochschule West (Högskolan Väst).
Über Fouriertransform: Fouriertransform wurde 2008 mit 3 Mrd SEK als Aktiengesellschaft im Markt etabliert, mit dem Ziel die schwedische Automobilindustrie im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu halten. Das Geld wurde vom Schwedischen Parlament genehmigt (18. Dezember 2008) und somit ist klar, dass Fouriertransform eine Aktiengesellschaft in Staatsbesitz ist.
Fouriertransform agiert als Investitionsfirma mit aktivem Beratungsmandat. Es gibt klare Kriterien zur Investitionsvergabe, Finanzierungshöhe und Beteiligung (nicht abschliessend):
– Innovative Produkte/Services mit Wachstumspotential in Schweden und globalen Märkten,
– attraktiver Zielmarkt mit Wachstumspotential und Profitabilität,
– Unternehmensführung auf Basis des sog. Entrepreneurship (ein vieldeutiger Begriff, hier: Innovationen einführen mit einhergehendem Risiko), mit dem Ziel des Unternehmenswachstums und Profitabilität,
– Zusammenarbeit mit Wirtschaftspartnern, die in der Lage sind die eigenen Unternehmensziele zu unterstützen,
– Ausstiegsszenarien für Fouriertransform, wenn das Unternehmen marktfähig ist um auszusteigen.
– Die Investition ist auf 150 Mio. SEK (max. 5% des der Fouriertransform zur Verfügung stehenden Kapitals) begrenzt und es soll maximal eine Beteiligung von 49% entlang der Wertschöpfungskette realisiert werden.
Wie Oliver auf diese Diplomarbeit gekommen ist, weiß ich nicht, wird sich aber gut machen als Abendlektüre.
Hi RedJ.
Sie hat das Automotive Cluster erklärt und mit der hier in dem Artikel nur oberflächlichen Betrachtung von Fouriertransform/ Innovatum kann man den Gedanken dahinter verstehen. Die geografische Ausrichtung des Cluster ist hauptsächlich die Westküste. Es kommt die Wichtigkeit des Cluster zu Tage (für Schweden/ für die Region).
Ausser bei einer Firma hat Fouriertransform bisher keine Vollpleite hingelegt. Fouriertransform ist nicht als Bezuschusser zu sehen, sondern wirklich als Begleiter und Zwischenfinanzierer. Das Ziel ist sicherlich nicht grossen Gewinn einzufahren, aber auch langfristig keinen Verlust. Man übernimmt mit der aktiven Mandatierung der Firmen sicherlich auch gleichzeitig die Rolle des Netzwerkers.
Nicht soviel auf die Master Thesis geben. Ich habe die MasterThesis (im Rahmen eines MBAs) gestern durchgelesen. Ist etwas für den langen Abend. Die Cluster Bewertung ist knapp positiv. Die letzten Aktionen mit LeanNova könnten das Bild verbessern, aber der Demand ist jetzt schwächer geworden. Eigentlich macht man sich mit so einem Aufbau des Clusters weniger anfällig gegen massiven KnowHow Abfluss.
Die Master Thesis muss man auf alle Fälle in Zusammenhang der Informationen der letzten Monate mit Innovatum/ Fouriertransform sehen. Es lohnt sich auch noch einmal die Spyker/ SWAN Finanzreports anzuschauen und Firmennamen von Fouriertransform finanzierten/ betreuten Firmen zu suchen. Da zeichnet sich dann ein interessantes, aber auch teilweise erschreckendes Bild (Optionen (wurden diese wahrgenommen?) zum letztendlichen Ausverkauf (Werke und Tools) von Saab; wer hat nun welche Rechte an PhoniX Komponenten?). Neben der Saab Tools AB gibt es auch eine Saab Powertrain Tools AB. Wusste ich bis Sonntag auch noch nicht. Mit viel Aufwand könnte man sicherlich ein interessantes Bild des letzten Jahres zeichnen.
Gruss
Oliver